Ueli Keller

Vertretung Grosser Rat

Ein bisher ungelöstes Problem im Grossen Rat ist, dass es Frauen während dem Mutterschaftsurlaub nicht möglich ist an Ratssitzungen teilzunehmen, Männern während dem Vaterschaftsurlaub aber sehr wohl. Das ist ganz offensichtlich nicht mehr zeitgemäss. Ein weitere Vorteil würde diese Motion bringen. Es wäre einfacher möglich etwas "Grosser Rat Luft" zu schnuppern. Als erster Ersatz würde es wohl immer wieder die Möglichkeit geben an Sitzungen teilzunehmen.


Stellvertretung im Grossen Rat

Der Regierungsrat wird beauftragt, eine gesetzliche Grundlage bzw. eine Änderung der Geschäftsordnung des Grossen Rates vorzuschlagen, welche in definierten Fällen eine Stellvertretung der Mitglieder des Grossen Rates bei längeren, unvermeidlichen Absenzen ermöglicht.

Begründung

Gemäss Geschäftsordnung des Grossen Rates sind dessen Mitglieder verpflichtet, an den Sitzungen teilzunehmen. Mit ihrer aktiven Teilnahme am Ratsbetrieb erfüllen sie eine Ihnen durch die Wahl anvertraute Pflicht. Wird die Teilnahme über längere Zeit verhindert, aufgrund von Mutterschaft, aber auch wegen eines Unfalls, einer längeren Krankheit oder durch den Militär- oder Zivildienst, so muss die Grossrätin oder der Grossrat eine schwierige Entscheidung treffen: Frühzeitig aus dem Grossen Rat auszutreten – oder über Wochen und Monate den Wählerauftrag nicht erfüllen zu können und den Fraktionskollegen und -kolleginnen mehr Arbeit und weniger Stimmengewicht zu bescheren. Nimmt eine Mutter innerhalb des 14-wöchigen Mutterschaftsurlaubs an einer Ratssitzung teil, so gilt dies als Wiederaufnahme der Beschäftigung, womit ihr Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung vorzeitig endet.

In der Berufswelt wird mehr und mehr auf Bedingungen geachtet, welche einen Wiedereinstieg nach der Geburt eines Kindes oder nach längerer Krankheit erleichtern. Unter anderem durch zeitlich begrenzte Stellvertretungen. Dadurch verbessert sich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die dringend benötigten Fachkräfte bleiben im Berufsleben. Auch unser politisches Milizsystem ist darauf angewiesen, dass sich zum einen genügend (auch junge) Leute für ein Amt zur Verfügung stellen. Zum anderen braucht es ein gewisses Mass an Kontinuität, um einen Wissensverlust zu vermeiden und einen funktionierenden Ratsbetrieb zu ermöglichen. Darüber hinaus ist es entscheidend, mit den Mitgliedern des grossen Rates nicht nur eine regionale und berufliche Diversität, sondern auch eine Vielfalt der Lebensabschnitte abzubilden, um die Interessen der Bevölkerung in ihrer Vielfalt angemessen vertreten und Entscheide breit abstützen zu können.

Eine Stellvertretungslösung für den Kantonsrat wird bereits in verschiedenen Kantonen angewandt. Praktikabel wäre beispielsweise, dass der oder die Nichtgewählte mit den meisten Stimmen die Stellvertretung übernehmen könnte, quasi ein „Nachrücken auf Zeit“ für einen definierten Zeitraum von zum Beispiel mindestens drei bis maximal neun Monaten. Für eine solche Lösung hat sich der Grosser Rat Aargau entschieden und entsprechende Änderungen von Verfassung, Gesetz und Geschäftsordnung beschlossen, welche aller Voraussicht nach mit Ablauf des fakultativen Referendums am 5.5.2022 in Kraft treten werden. Das „Nachrücken auf Zeit“ hat den Vorteil, dass die Wahl der Stellvertretung vom Stimmvolk festgelegt und somit demokratisch legitimiert wurde. Ausserdem kann auf bestehende Regelungen (betreffend Nachrücken aufgrund eines Rücktritts) zurückgegriffen werden. Dies kommt dem Anspruch an eine Stellvertretungslösung entgegen, wonach der mit der Umsetzung verbundene administrative Aufwand gering zu halten sei.

Frauenfeld, 4. Mai 2022

Elina Müller, Ueli Keller, Petra Merz-Helg, Christina Pagnoncini, Cornelia Zecchinel, Jorim Schäfer


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