Kinder in der Nothilfe - Beantwortung
Leider scheint wenig Problembewusstsein vorhand zu sein. Diese Antwort ist nicht sehr gehaltvoll.
Einfache Anfrage von Ueli Keller vom 23. Oktober 2024 „Kinder in der Nothilfe“ - Beantwortung
Sehr geehrter Herr Präsident Sehr geehrte Damen und Herren Die im Vorstoss erwähnte Studie der Eidgenössische Migrationskommission (EKM) 1 befasst sich mit den Lebensumständen von Kindern und Jugendlichen in der Nothilfe im Asylbereich.
In der Schweiz erhalten Asylsuchende in einem ersten Schritt Unterstützung in Form von Sozialhilfe. Ausländerinnen und Ausländer mit einem rechtskräftigen Nichteintretensentscheid sowie nach einem rechtskräftigen Wegweisungsentscheid (d.h. abgewiesene, ausreisepflichtige Personen ohne Aufenthaltsstatus) fallen nicht mehr unter die asylrechtlichen Sozialhilfebestimmungen und werden von der Sozialhilfe ausgeschlossen (Art. 82 Abs. 1 und 2 Asylgesetz [AsylG; SR 142.31]). Sie erhalten nur noch Nothilfeleistungen. Dies gilt auch für Familien mit Kindern, wobei im Kontext der Unterbringung den besonderen Bedürfnissen von unbegleiteten Minderjährigen und Familien Rechnung zu tragen ist (Art. 82 Abs. 3bis AsylG).
Ziel der Nothilfe ist es, die Menschen für eine vorübergehende Zeit minimal zu versorgen und gleichzeitig keinerlei Anreize zu schaffen, in der Schweiz zu bleiben.2 Mit der Nothilfe werden Mindestleistungen garantiert, die für ein menschenwürdiges Überleben unerlässlich sind (Recht auf Hilfe in Notlagen: Art. 12 Bundesverfassung [BV; SR 101]). Es handelt sich also um eine minimale Hilfe zugunsten von Personen, die insbesondere aufgrund ausländerrechtlicher Bestimmungen von der Sozialhilfe ausgeschlossen sind.
Nothilfe im Asylbereich − Systematische Untersuchung der Situation in der Schweiz“ vom September 2024 (Studie EKM). Da es sich um rechtskräftig ab- oder weggewiesene Personen (mit Kindern) ohne Aufenthaltsrecht handelt, rechtfertigt sich eine solche eingeschränkte Solidaritätsverpflichtung im Sinne von Minimalleistungen, um Anreize zum Verbleiben zu vermeiden (öffentliches Interesse am Wegweisungsvollzug).3 Dabei ist aus migrationsrechtlicher Sicht Folgendes zu bemerken: Jedes Asylgesuch wird in einem rechtsstaatlichen Verfahren mit Beschwerdemöglichkeit geprüft. Wird ein Asylgesuch vom Bund rechtskräftig abgelehnt, erfolgt eine Wegweisung aus der Schweiz, und die Personen müssen die Schweiz innert einer bestimmten Frist pflichtgemäss verlassen. Dazu stehen Rückkehrberatung und Rückkehrhilfe zur Verfügung. Werden diese Angebote nicht genutzt und erfolgt keine pflichtgemässe Ausreise, ist bis zu einer behördlich organisierten Rückkehr die gesetzlich vorgesehene Reduktion der staatlichen Unterstützung auf Nothilfe die Folge. Generell und damit auch in Konstellation von ausreisepflichtigen Familien liegt die Verantwortung für die Kinder bei den Eltern. Durch Kooperation bei der Ausreisevorbereitung (insbesondere Beschaffung von Reisepapieren) besteht dauernd die Möglichkeit, der Ausreiseverpflichtung nachzukommen und den Zustand der Nothilfe zu beenden. Das Migrationsamt versucht in langwierigen Nothilfesituationen, durch wiederholte Interventionen, wie der Rückkehrberatung und Ausreisegesprächen, die Personen weiterhin zur pflichtgemässen Ausreise aus der Schweiz zu bewegen.
Frage 1: Viele NGO übernehmen wichtige und wertvolle Aufgaben, wenn es um die Betreuung von Asylsuchenden geht. Wie ist der Zugang von NGO zu den Unterkünften von ausreisepflichtigen nothilfebeziehenden Familien geregelt?
Viele der betroffenen Familien sind in regulären Unterkünften untergebracht, in denen ein freies Besuchsrecht für Nichtregierungsorganisationen (NGO) besteht. In den Nothilfeunterkünften hingegen gilt aus organisatorischen und Sicherheitsgründen ein Besuchsverbot. NGO können jedoch nach vorheriger Absprache Zutritt erhalten.
Frage 2: Wie gestaltet sich die Wohnsituation von ausreisepflichtigen nothilfebeziehenden Menschen, insbesondere Familien, im Kanton Thurgau?
Wie erwähnt, sind viele Familien in regulären Durchgangsheimen untergebracht, die übrigen in geeigneten Nothilfeunterkünften. Aus Rücksicht auf das Kindswohl werden Umzüge wenn immer möglich vermieden. Dies ermöglicht eine stabile Beschulung möglichst ohne Schulwechsel.
Frage 3: Welche Betreuungs- und Ausbildungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche aller Altersstufen (vor, während, nach der obligatorischen Schulpflicht) in der Nothilfe gibt es im Kanton Thurgau?
Besondere vorschulische Betreuungsmöglichkeiten bestehen nicht. Schulpflichtige Kinder besuchen regulär die Volksschule. Die Volksschulen beschulen im Sinn des Grundrechts auf unentgeltlichen Grundschulunterricht (Art. 19 BV; § 70 bis § 71 Kantonsverfassung [KV; RB 101]) alle Kinder und Jugendlichen im Volksschulalter, auch Kinder ohne Bleiberecht.4 Auch schliessen die Ziele und Massnahmen, die im Rahmen der beiden kantonalen Konzepte (Konzept für ein koordiniertes Vorgehen in der Kinder-, Jugend- und Familienpolitik 2023–2027 und Konzept Frühe Förderung Kanton Thurgau 2020–2024 [verlängert bis 2027]) umgesetzt werden, Kinder und Jugendliche mit ein, die von Nothilfe leben. Im Bereich Schule werden somit Kinder in der Nothilfe nicht benachteiligt. Nach der Volksschule ist eine berufliche Grundbildung im Anschluss an die obligatorische Schulzeit unter Umständen möglich (vgl. Art. 30a der Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit [VZAE; SR 142.201]), eine Erwerbstätigkeit jedoch nicht.
Frage 4: Welche Möglichkeiten gibt es für Kinder und Jugendliche in der Nothilfe mit gleichalterigen aus der Umgebung in Kontakt zu treten?
Personen in der Nothilfe, so auch Kinder und Familien, sind in der Bewegung und sozialen Begegnung frei. Insbesondere die Teilnahme am Volksschulunterricht ermöglicht den Kontakt mit Gleichaltrigen.
Frage 5: Die von der EKM in Auftrag gegebene Studie kommt zum Schluss, dass „deutlicher“ Handlungsbedarf besteht, bezüglich der Situation von Kindern und Jugendlichen in der Nothilfe. Wo sieht der Regierungsrat Handlungsbedarf im Kanton Thurgau?
Die Studie fordert verschiedene Massnahmen. Diese lassen sich aus unserer Sicht in drei Aspekte bündeln: Langzeitbezug der Nothilfe, Unterbringung und Zugang zu medizinischer Behandlung (insbesondere bei psychologischen Problemen).
Langzeitbezüge von Nothilfe durch Kinder und Jugendliche sind aus Sicht der Studie zu vermeiden. Diese Situation liegt jedoch gänzlich in der Verantwortung der Eltern, da diese die Ausreiseverpflichtung nicht befolgen.
Die Studie fordert familiengerechte Unterbringung. Darauf wird bereits Rücksicht genommen, indem viele Familien in regulären Durchgangsheimen anstelle von Nothilfeunterkünften untergebracht werden.
Der Zugang zu medizinischen Behandlungen ist in den Strukturen der Peregrina-Stiftung gewährleistet.
Für den Regierungsrat ergibt sich folglich für den Kanton Thurgau keinen aus der Studie resultierenden Handlungsbedarf.
Der Präsident des Regierungsrates
Der Staatsschreiber
Zur Beantwortung hier.
Studie im Auftrag der Eidgenössischen Migrationskommission (EKM) „Kinder und Jugendliche in der↩
BGE 131 I 166 E. 8.2.↩
BGE 131 I 166 E. 8.2; BGE 121 I 367 E. 2d; Studie im Auftrag der Eidgenössischen Migrationskommission (EKM) „Das Nothilferegime und die Rechte des Kindes. Rechtsgutachten und Studie zur Vereinbarkeit mit der schweizerischen Bundesverfassung und der Kinderrechtskonvention“ vom September 2024 (Rechtsgutachten EKM), S. 10 und S. 59.↩
Vgl. Studie EKM S. 61.↩